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Offener Brief von Rainer Hoppe

Liebe Wasserballfreunde,

kämpfen wir bis zum letzten Pfiff oder Pfeifen wir aus dem letzten Loch?

Auf Grundlage des Artikels aus der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift der Deutschen Olympischen Gesellschaft „Olympische Flamme“ habe ich diesen offenen Brief verfasst.

In dem kritischen Artikel „Sportförderung –Nur mit Blick auf die Spitze ist sie ein Armutszeugnis-“ (siehe Anhang) der Autorin Bianka Schreiber-Rietig erfolgt eine Bestandsaufnahme der Sportförderung in Deutschland und des konzeptionellen Veränderungsprozesses, den wir zurzeit auch leidvoll erfahren müssen. Die Parallelen zum Wasserball sind offenkundig und zeigen deutlich auf, dass wir uns mit unserer Konzeption sowie der geplanten Zentralisierung auf einem Irrweg befinden und uns ins Abseits manövrieren.

Auch ich empfinde diesen momentanen Aktionismus auch als Reflex der Erfolglosigkeit.

Warum haben wir nicht bereits in 2012 begonnen, die Missstände aufzuarbeiten? (siehe hierzu die aktuelle Zielvereinbarung des Wasserballs mit dem DOSB bis 2016)

Es wurde keines der quantitativen Ziele bei den Männern erreicht und die qualitativen Maßnahmen wurden gar nicht oder nur halbherzig verfolgt. Zumindest wurde kein Ergebnis transparent an die Verbände und leistungsporttreibenden Vereine kommuniziert. Lediglich bei den Frauen scheint sich ein leichter Aufwärtstrend abzuzeichnen.

Aktuell wird im stillen Kämmerlein eine Neukonzeption entwickelt, die vollkommen realitätsfremd und fehlerbehaftet erscheint. Genau diese Selbstüberschätzung bzw. dieses langjährige Missmanagement haben uns in diese scheinbar ausweglose Situation gebracht. Durch diese Ereignisse wurde bspw. Arno Troost, ein ehrlicher Verfechter und Architekt des Wasserballs, vergrault. Nach der umstrittenen Meisterschaftsentscheidung in der Vorsaison, des Kippens der Ausländerregelung und des wenig wertschätzenden Umgangs mit ihm in seiner mehrmonatigen ehrenamtlichen Bundestrainertätigkeit, hat er nun das Handtuch geschmissen und unserer Sportart frustriert den Rücken zugekehrt. Nach meiner Überzeugung wäre ASCD mit der vorherigen Beschränkung des Ausländerkontingents in der abgelaufenen Saison der Meisterschaftsfavorit gewesen., wobei hier nachhaltig mit jungen, deutschen Talenten agiert wurde.

Hier nun einige Fragen, die sich demzufolge aufdrängen:
Warum wurde das bisherige Konzept der 4 Stützpunkte nicht transparent und professionell gemanagt?
Warum werden Trainerstellen nicht ausgeschrieben und nach nachvollziehbaren Kriterien besetzt?
Wieso sind viele der Entscheider der Vergangenheit jetzt die Vordenker der Zukunft?
Wieso werden Vereine in diesen Prozess als Ratgeber eingebunden, die keinerlei substanzielle Jugendarbeit leisten oder verstärkt auf ausländische Spieler setzten?
Warum wird nicht transparent kommuniziert? Die Vereine investieren gemeinsam mehrere Millionen in den Wasserballsport. Sie werden aber bei der Konzeption sowie der Umsetzung nicht eingebunden bzw. im Unklaren gelassen.
Wieso wurde die Ausländerregel ohne Not gekippt und nicht durch eine freiwillige Selbstverpflichtung zur nachhaltigen Förderung des deutschen Nachwuchses ersetzt?
Wieso wird der Fachausschuss nicht nach demokratischen Prinzipien qualifiziert besetzt?
Wieso wurde bei klammen Kassen kein professionelles Marketing zur Akquisition frischer Gelder implementiert? Aktuell hängt der Wasserball im DSV am Tropf der Steuerzahler, des DOSB und der Vereine, auf deren Schultern nahezu alle finanziellen Zusatzlasten abgewälzt werden.
Leistungssportkonzeption Wasserball 2015 – 2020 (2024)
Wie sollen die intensivere Arbeit und die Einrichtung weiterer Stellen sowie Stützpunkte finanziert werden?
Wieso werden die Kader- und Bundeswehrstellen nicht radikal nach den Zielen 2016 (Rio) und 2020 (Tokio) ausgerichtet?
Wieso geht die Konzeption nicht darauf ein, wie schlafende Regionen und Landesvereine aktiviert werden?
Gibt es zwischen dem neuen OSP Potsdam, dem Bundesstützpunkt Nachwuchs Potsdam und dem NAZ Potsdam einen Unterschied?
NAZ (Nationales Ausbildungszentrum)
Wie stellt ein NAZ sicher, dass die nachhaltige Arbeit der abgebenden Vereine „professioneller“ bei optimaler sozialer Versorgung gestaltet wird?
Wieso wird der Standort Potsdam ohne vorherige Ausschreibung und genaue Analyse seitens des Fachausschusses präferiert?
Wieso wird ein zusätzlicher Standort eingerichtet, obwohl die bereits aktiven OSPs dieses Angebot auch stellen könnten?
Wie wird dieser zusätzliche Aufwand bei gleichbleibendem Budget finanziert?
Das Konzept sieht vor, dass alle Toptalente nach Absolvenz von U17 in das NAZ wechseln. In Zeiten von G8 haben viele Jugendliche bereits das Abitur erlangt oder stehen kurz vor dem Abschluss. Was machen diese Athleten dann?
Wie werden die Ausbildungskosten der Athleten an die abgebenden Vereine vergütet?
Wie wird die nachhaltige Konkurrenzfähigkeit der „Nachwuchsfabriken“ sichergestellt?
Was geschieht mit Spielern, die keine Karriere bei der Bundeswehr oder der Polizei anstreben?
Wie sieht das Fallbackszenario aus, wenn sich die Erfolge im NAZ nicht einstellen?
Wieso ist ein Wechsel in einen international aktiven Verein als Alternative zum NAZ möglich?
Inwiefern unterscheidet sich die Strategie des NAZ von einem Nationalen Trainingszentrum (NTZ) in Warendorf? Wieso findet dieses nicht an einem OSP-Standort statt?

Ist unsere „Agenda 2024“, junge deutsche Spieler aus den Vereinen, die sie mit viel Aufwand ausgebildet haben, wenn sie dann flügge werden, in ein Nationales Ausbildungszentrum zu transferieren, auch im Sinne der Förderung der Sportler in anderen Bereichen des Lebens, zielführend? Ist die schulische, soziale und berufliche Entwicklung in diesem Konstrukt entsprechend gewürdigt worden?
Hier wurde bspw. das Strategiepapier, welches Dirk Klingenberg bereits 2013 im Auftrag der DWL und des damaligen Vorsitzenden in Zusammenarbeit mit den Vereinen erarbeitet hat, weder kommuniziert noch erörtert. Ist das unser Verständnis von Zusammenarbeit und Vertrauensbildung?

Wie der zitierte Philosoph und Soziologe Gunter Gebauer anmerkte: „absurd, wenn jemand meint, dass Deutschland daran gemessen wird, wie viel Goldmedaillen gewonnen werden. Wir werden daran gemessen, was für ein Leben in Deutschland möglich ist, wie sich Individualismus entfalten kann, was Deutschland an Bildungs- und Sozialleistungen bietet.“

Diese Komponenten wurden in der neuen Konzeption komplett ausgeblendet oder nur unzureichend angerissen. Welche Mutter oder welcher Vater würde in der momentanen Lage des Wasserballs sein intelligentes, soziologisch integriertes und talentiertes Kind im Vertrauen auf eine vollumfassende Betreuung in eine solche zentrale Ausbildungsstätte entsenden? Wie auch in anderen Sportarten trainieren die Athleten zumeist lieber in den Heimatvereinen. Was nutzt es, ein NAZ aufzubauen, wenn die gewünschte Zielgruppe dieses Angebot nicht annehmen wird.
Hierzu passt auch das Zitat der deutschen Ringerweltmeisterin Alina Focken aus einem Interview in der Welt: “Interessant ist dabei zu beobachten, dass besonders die Erfolge haben, die nicht bei der Bundeswehr sind, wo die Sportler den ganzen Tag pennen, wenn sie nicht trainieren. Ich halte es für die beste Lösung, sich einen mentalen Ausgleich zu suchen.“ Julian Real ist hier auch für unsere Sportart ein exzellentes Beispiel.

Bemerkenswert ist die Einschätzung der Autorin, dass wir „ein System a`la DDR“ entwickeln, was unserem Sport in der Vergangeheit in den neuen Bundesländern wahrlich nicht gut getan hat.

Der Schlusssatz wird dann leider wohl auch auf uns zutreffen: „neue Konzepte waren bisher im deutschen Sport immer sehr kurzlebig, eitle Macher ohne Basisansatz –etwa in der Nachwuchsarbeit- aufgeschmissen, großmäulige Manager oder prestigeheischende Funktionäre beim Scheitern –sprich dem ausbleibenden Edelmetall-Regen- zunächst
Kleinlaut, dann folgen Schönreden, Krisenaktionismus. Und wieder ein neues Konzept“.

Quantitative und qualitative Professionalisierung der Struktur, der Trainer und der Athleten inkl. eines objektiven Controllings sowie eines intensiven Management sind sicher die richtigen Ansatzpunkte. Allerdings hätte dieses bereits in der aktuellen Struktur implementiert und gelebt werden können.

So heißt es auch in dem bekannten Satz von Albert Einstein: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“

Ich lehne diese Zentralisierung entschieden ab und plädiere für eine Stärkung der DWL in einer eigenen Rechtsform, um die Position der leistungsorientierten Vereine zu stärken.

Viele Grüße

Rainer Hoppe

Zielvereinbarung Rio Männer: http://www.dosb.de/fileadmin/Bilder_allgemein/DOSB_Start/olympia/Zielvereinbarungen/Zielvereinbarungen_DSV_Waba_maennlich.pdf
Zielvereinbarung Rio Frauen: http://www.dosb.de/fileadmin/Bilder_allgemein/DOSB_Start/olympia/Zielvereinbarungen/Zielvereinbarungen_DSV_Waba_weiblich.pdf

Zitat Aline Focken aus der Welt:
(http://www.welt.de/sport/article136252386/Olympia-waere-das-perfekte-Sanierungskonzept.html):