Potsdam Orcas sichern Silber beim Dor-Nischl-Cup
13. Oktober 2020
Schafft das nächste ASCD-Team den Sprung unter die Top4 Deutschlands?
14. Oktober 2020
Potsdam Orcas sichern Silber beim Dor-Nischl-Cup
13. Oktober 2020
Schafft das nächste ASCD-Team den Sprung unter die Top4 Deutschlands?
14. Oktober 2020
Alle anzeigen

Mike Bartels sagt adieu

Zu Beginn der vergangenen Woche ließ eine Nachricht die hannoversche Wasserballszene einmal kurz innehalten.
Der langjährige erfolgreiche Nachwuchscheftrainer der White Sharks Hannover und Spieler und Coach bei den damaligen Wasserfreunden 98
erklärte seinen Rückzug als Trainer und will künftig nur noch Aufgaben abseits des Beckenrandes für seinen Verein, die White Sharks Hannover, übernehmen.

In einem langen Gespräch erläuterte Bartels, den alle nur Mike nennen, seine Gründe für diesen bemerkenswerten Schritt und schaute zurück auf Jahrzehnte
im hannoverschen Wasserball.

Michael Bartels wurde 1948 in Staßfurt in der damaligen DDR geboren. Wie so viele zog es seine Eltern zu Beginn der 50er Jahre in den damals noch erreichbaren Westen
und so landete man in Hannover. Sein Vater bekam jedoch bald darauf die Möglichkeit in Südafrika zu arbeiten, und so erlebte der kleine Michael sein erstes Schuljahr in Durban zu einer Zeit,
in der sich die Bürger der Bundesrepublik allmählich aufmachten das Wirtschaftswunder zu realisieren. Nach zwei Jahren kehrte die Familie zurück nach Hannover,
die Mutter hatte das Heimweh gepackt.

Im Alter von zwölf Jahren schloss sich Bartels den Wasserfreunden 98 an und wurde Leistungsschwimmer. In einer enorm starken Trainingsgruppe unter dem sehr bekannten
Übungsleiter Gottfried Mertens stieß er an seine Grenzen. Mit dabei war beispielsweise Werner Lampe, der 1972 bei den Olympischen Spielen in München die Bronzemedaille über 200 m Kraul
gewinnen sollte und Hans Lampe, 1970 Europameister über 100 m Delphin. So ließ sich Michael Bartels bereitwillig von den Wasserballern seines Vereins abwerben und wechselte die Disziplin. Schon mit 16 Jahren übernahm der Jugendliche erste Aufgaben als Trainer im Nachwuchsbereich und sollte diese parallel zu seiner Spielerlaufbahn weiter vorantreiben. Als Jugendspieler erreichte Bartels mit seinen Wasserfreunden
die Endrunde zur deutschen Meisterschaft. Auch in die Herrenmannschaft stieß er vor. Der mehrfache deutsche Meister vergangener Jahrzehnte war mittlerweile zu einer Fahrstuhlmannschaft
geworden, die häufig zwischen der 1. und 2. Bundesliga pendelte. In den 70er Jahren übernahm Michael Bartels dann auch das Traineramt in der Herrenmannschaft. Desöfteren im Gespräch
betont der nun 72 Jährige, wie sehr die Tugenden und Herausforderungen im Leistungssport denen gleichen, die in der Wirtschaft benötigt werden, und wir sehr er sich in dieser Symbiose
entwickeln konnte. Der gelernte Bankkaufmann machte in seinem Institut, der Nord LB, Karriere und brachte es bis zum Bankdirektor. Anfang der 80er Jahre musste er sich aufgrund der hohen Arbeits-
belastung aus dem Wasserballsport zurückziehen.

Zur Jahrtausendwende kehrte Bartels zu den Wasserfreunden 98 zurück und baute die brachliegende Jugendarbeit wieder auf. Dieses Unterfangen startete unter widrigen Bedingungen.
So wurden ihm und seinen Jugendlichen zunächst eine einzige Bahn im Vahrenwalder Bad für die Trainingseinheiten zugewiesen, und dies nachmittags um 15 Uhr einmal in der Woche.
Er ließ sich jedoch nicht beirren und verweist auf eine Anekdote aus dieser Zeit. Bei einem seiner Streifzüge durch das Hallenbad in Hannover-Vahrenwald traf Michael Bartels auf eine Kindergeburtstagsgesellschaft. Mit dabei waren Kevin und Marvin Götz. Bartels sprach die Mutter der beiden Jungs an und bat die Kinder zum Training in seinen Verein. Es war der Beginn einer großartigen Erfolgsgeschichte. Kevin Götz ist heute Torwart bei Waspo 98 und die Nummer zwei der deutschen Nationalmannschaft. Bruder Marvin führt mittlerweile die White Sharks Hannover als Kapitän ins Wasser. Unfassbar auch die damalige Ansprache.
Bartels zu den Kindern: „In drei Jahren werden wir zusammen deutscher Jugendmeister im Wasserball.“ Kevin Götz: „Klingt gut, aber was ist Wasserball?“ Das Ergebnis: Der nationale Titel wurde
tatsächlich gewonnen, aber schon nach zwei Jahren und in den beiden nächsten Jahren ebenfalls.

Sein System erläutert Bartels wie folgt: „Ich habe das Vertrauen der Lehrer in einigen Grundschulen Hannovers. Während des Schwimmunterrichts setze ich mich an den Beckenrand und beobachte. Nach Rücksprache mit den Lehrern
drücke ich dem Kind, dass ich als Talent erkenne, meine Visitenkarte in die Hand und bitte darum die Eltern anrufen zu dürfen. Nicht immer kommt auf diese Weise ein Gespräch zustande, aber
manchmal klappt es und das Kind kommt zum Probetraining.“

Michael Bartels betont, dass er als Trainer auch vielseitig gefordert war. So organisierte er die Schullaufbahn in Absprache mit den Eltern und holte auch den ein oder anderen Jungen regelmäßig vom Bahnhof ab,
um ihn zum Training und wieder zurückzubringen. „Alles in allem arbeite ich täglich acht Stunden für diesen Sport“, so Bartels.

Im Jahre 2008 kam es zum Bruch mit den Wasserfreunden 98, die seinerzeit eine Startgemeinschaft mit Waspo Hannover-Linden bildeten. Er gründete mit einer Reihe von Mitstreitern die White Sharks Hannover
e.V. und setzte seine Arbeit fort. Bis heute erreichte er mit den von ihm trainierten Mannschaften 16 deutsche Meisterschaften und acht deutsche Pokalsiege im Juniorenbereich. Dazu kommen zahlreiche weitere
Medaillen national sowie unzählbare Titel auf norddeutscher Ebene. Sagenhafte 52 Jugendnationalspieler gingen durch seine Hände, darunter zuletzt die halbe Mannschaft, die bei der U17-EM
in Tiflis Rang acht belegte.

Als herausragende Talente seiner Amtszeit bezeichnet Bartels Niclas Schipper, den er als 14 Jährigen Jugendlichen von Neptun Cuxhaven nach Hannover holte und Jan Rotermund, die beide mittlerweile in der A-Nationalmannschaft debütiert haben, sowie Jonas Reinhardt, der leider aufgrund anhaltender Rückenprobleme mit dem Leistungssport aufhören musste.

Ein unvergesslicher Höhepunkt für alle Teilnehmer und Betreuer sei das Trainingscamp in Kalifornien im Jahr 2018 gewesen. Rund 20.000 EUR brachte Bartels bei befreundeten Gönnern zusammen, um den Eigenanteil für die 17 Spieler der Jahrgänge 2002 bis 2004 verkraftbar halten zu können. Auf dem Programm standen nicht nur zahlreiche Spiele gegen gute ortsansässige Mannschaften sondern auch viele Ausflüge
an die Küste, in Nationalparks oder nach Las Vegas, die allen Teilnehmern in Erinnerung bleiben werden.

Michael Bartels hinterlässt nicht nur in Hannover eine schwer zu füllende Lücke. Dennoch schaut er für seinen Verein positiv in die Zukunft. „Wir haben viele gute, junge Trainer und Toptalente. Die gehen ihren Weg. Ihnen gehört die Zukunft“, betont er. Die Corona-Krise beunruhigt ihn hingegen sehr. „Wenn die Bäder noch lange geschlossen bleiben, geht dem Wasserball mindestens ein ganzer Jahrgang verloren. Schon jetzt ist die Situation in Deutschland kritisch, die Sportart steht auf der Kippe.“

Das Turnier um den DSV-Pokal der Altersklasse U12 in Cannstatt Anfang Oktober, bei dem „seine Jungs“ die Bronzemedaille gewonnen haben, soll nach seinem Willen der Ausklang einer großen Trainerlaufbahn gewesen sein. „Ich wünsche mir mehr Zeit für andere Dinge. Meine Faszination für Südafrika soll mehr in den Vordergrund rücken und ich möchte es im allgemeinen etwas ruhiger angehen lassen. Schließlich bin ich nicht mehr der Jüngste“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Ganz verschwinden aus der Wasserballszene will Bartels aber nicht. Er möchte weiterhin bei Bedarf für seine White Sharks aber auf Anfrage auch gern – wie bisher – für andere Klubs beratend tätig sein. „Es gibt viele Kontakte, auch auf meine Ankündigung aufzuhören haben sich viele Weggefährten gemeldet.“

Die vor zwei Jahren ins Leben gerufene Kooperation zwischen den White Sharks und Waspo 98, in dem die Wasserfreunde 98 längst aufgegangen sind, hält er für wichtig und zukunftsweisend.
Trotz mancher Animositäten aus der Vergangenheit hat er konzeptionell an der Zusammenarbeit gearbeitet und lobt die Offenheit des Partners Waspo 98.

Zum Schluss des Gesprächs sagt er rückblickend lakonisch: „Es wäre kein schöneres Leben gewesen, hätte ich länger vor dem Fernseher gesessen.“ Dem ist kaum etwas hinzuzufügen.
Nur so viel: Danke Mike, mach´s gut!